Lumpi irgendwo in Lateinamerika

ja

Freitag, 12. Oktober 2012

big challenge!

Die Entscheidung war: Chachani (6075) oder Misti (5852).

Chachani ist 100 Meter höher, dafür aber viel leichter, da man bis auf 5000m mit dem Auto gebracht wird. Der Misti ist ein frei stehender Vulkan, auf den keine Straßen führen, den man also selbst besteigen muss. Selber machen ist die Devise und so wurde es der Misti.
Am Tag vorher noch das Equipment anprobiert. Südamerikanisch halt. Alles alt und hin, aber ganz gut improvisiert. Ich bekomme meine Sachen. Man muss alles selbst raufschleppen. 6 Liter Wasser, Zelt, Schlafsack, Kleidung, Nahrung, da kommt schon was zusammen. So um die 15-20 kg wiegt der Rucksack.

Der große Tag:
0800 Uhr. Der Bergführer holt mich vom Hotel ab. Wir klauben noch die anderen ein. 2 Jeeps, insgesamt 11 Bergsteiger und 2 Führer. Wir fahren Richtung Misti. Die Straßen aus Sand und voller Löcher. Zu Mittag sind wir am Ende der befahrbaren Strecke auf 3400 Meter Seehöhe. Und los geht’s. 6 Std Aufstieg bis zum Basislager auf 4500hm.
Wir gehen los. Langsam, langsam, damit man gut akklimatisiert. Trotz des sehr langsamen Tempos teilt sich die Gruppe schnell. Um 18 Uhr kommen wir oben an, gerade noch Sonnenlicht zum Zeltaufstellen. Die Zelte sind wunzig klein und kaputt. Sehr romantisch, da 2 pro Zelt schlafen müssen. Mein Kollege war ein crazy Israeli, der Badehosen mithatte und, wie sich später herausstellte, unter häufigen Flatulenzen litt.

Die Nacht bricht herein und die Temperatur fällt unter Null. Ein Wind geht und es ist bitterkalt. Kein Geräusch, nur Sturm. Niemand hat Lust zu reden, jeder ist für sich selbst in dieser unwirtlcihen Umgebung. Unser Führer beginnt zu kochen. Die Stimmung ist ein Traum. Der Sonnenuntergang und das leuchtende Arequipa unter einem (siehe Video). Das erste Mal taucht der Gedanke auf, warum man eigentlich nicht da unten geblieben ist. Wir essen und 2 Std später taucht der Rest der Gruppe auf. Völlig erledigt bauen sie ihre Zelte in der Dunkelheit zusammen.

Aufbruch ist am nächsten Tag um 0030 Uhr geplant. Ich lege mich ins Zelt, habe alles an, was ich mithabe, der Wind peitscht die Zeltwand in mein Gesicht, 1 Kubikmeter Luft ohne Sauerstoff. Der Puls geht sogar im Liegen nicht unter 120. Plötzlich ein schrecklicher Geruch. Der Israeli neben mir hat einen abgedruckt… aber was für einen… Na serwas, was hat der gegessen.
Nun hat man die Wahl. Zelt offen = Kälte. Zelt zu = bestialischer Gestank. Ich hielt es mit dem alten Bundesheerspruch :“Dastunken is no kana!(Erstunken ist noch keiner)“ und ertrug es stoisch. Leider sollte das olfaktorische Konzert die ganze Nacht nicht enden. Irgendwann bin ich entschlafen, ob es wegen der Düfte oder der Müdigkeit war, egal.



0030 Uhr: sanfter Weckruf durch Schlag gegen das Zelt. Aufstehen. -10° und Wind. Alles ist durchfroren. Ich gehe aus dem Zelt. Tee ist bereit. Ein Traum!

0100: Abmarsch. Stirnlampen ein und hinaus in die Dunkelheit. 2 von den 11 bleiben im Basislager , da sie höhenkrank sind und nur kotzen.

Wie geht es einem in dieser Situation?
Man fühlt sich nur einsam. Das Gegenteil von Geborgenheit um einen. Eiseskälte ohne jegliche Zuflucht, absolute Dunkelheit, Müdigkeit, Menschen, die nicht mit einem reden (können), ein rasendes Herz, keine Luft….

Und los geht’s. Einen ewig scheinenden Aufstieg vor uns ist die Motivation und Stimmung eher auf einem Tiefpunkt. Es folgen 8 Std stillen Hintereinanderhergehens, nur den Schein der Stirnlampe im Blick. Gedankenverloren versuche ich gut zu atmen und mich selbst bei Laune zu halten. Jede Std 5 Min Pause, da wir sonst auskühlen würden. Anstrengung pur. Füße und Hände erfroren überlege ich so um 5 Uhr umzukehren, da ich nichts mehr fühlte. Inzwischen ist unsere Gruppe schon auf 5 Personen reduziert. Mit Speiberei und/oder Dünnschiss, heftigem Kopfweh oder purer Erschöpfung ist uns einer nach dem anderen weggebrochen.
Dann… ein Hoffnungsschimmer, die Dämmerung setzt ein. Noch nie habe ich mich über einen Tagesanbruch so gefreut. Die Sonne. Langsam beginnt der Tag und wir drehen die Stirnlampen ab. Die aufgehende Sonne erwärmt Hände, aber Füße nicht. Meine Zehen spüre ich immer noch nicht. Inzwischen sind wir ca. auf 5700 Meter und alle gezeichnet (siehe Video). 1,5 Std noch vor uns. Mir ist schwindlig, ich habe Kopfweh. Ich hyperventiliere, um mehr Luft zu bekommen. Vorletzte Pause vor dem Gipfel. Es gilt ein Schneefeld zu überqueren. Eine Person mehr bleibt zurück. Wir sind nur mehr 4.
Ich habe keinen Tropfen Motivation mehr. Aber ich sage, was ich auch den Psychokollegen immer sage, zu mir selbst: „Der Mensch hält viel mehr aus, als Ihr denkt!“. Also…

0630 Uhr und weiter geht’s. Wie eine Oma auf Valium. 3 Schritte. Pause. Husten. 3 Schritte. Pause. Hyperventilieren. Scheißschneefeld. Man bricht ein, es ist nur anstrengend.

Ich erspar Euch den Rest, aber irgendwann so gegen 0900 Uhr steh ich dann endlich auf der Spitze und empfinde…. nichts. Nur Erschöpfung, Kopfweh, Schwindel. Ich will wieder runter. (Photo nur gestellt, war nicht lustig) Herrlicher Ausblick, den ich aber erst im Nachhinein genießen kann. Ein beeindruckender Krater. Blick auf die 6000er in der Umgebung. Ein Kollege ist gleich eingeschlafen am Gipfelkreuz, die anderen 2 waren noch ganz fit. 
 Dann ein Abstieg. Auf einer 1 km langen Sanddüne ist man in 2 Std wieder zum Basislager gesurft. Dort von unfreundlichen und frustrierten Kollegen kaum begrüßt ging es in 3 Std weiter zu den Jeeps. Um 3 am Nachmittag war ich wieder in Arequipa, habe geduscht gegessen und bis jetzt geschlafen.
Jetzt, wenn ich in der Morgensonne den Misti sehe erfasst mich Euphorie. Da war ich gestern oben! Yesss!
Lange Geschichte, aber war auch viel los!
die erfrorenen Finger

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